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Kraut & Rüben
140 Kilometer TransPfalz
Wer die Pfalz erleben möchte und eine sportliche Herausforderung sucht, braucht eigentlich nur ein Fahrrad. Der Kraut und Rüben Radweg bietet dabei auch ein Stück Heimatkunde hautnah.
Woman on wheels
Es ist Sonntag der 8. August und es regnet. Wolkenfetzen jagen über die Weinberge von Bockenheim an der Weinstraße. Wir sind schon früh aufgestanden, um unser Vorhaben, den Kraut- und Rübenweg, der von Nord nach Süd quer durch die Pfalz führt, an einem Stück zu fahren. Wir hätten die Tour auch touristisch locker angehen können, doch Lizzy hat sich am Vorabend in der "Bucht" im wahrsten Sinne des Wortes ein Rotwild Bike geschossen und sich spontan für den Albgold MTB-Marathon angemeldet. Diese Tour sollte als Härtetest herhalten.

139 Kilometern von Bockenheim bis nach Schweigen sind zu fahren, zumindest steht es so im Flyer des Kraut und Rüben Radweges. Und das bei diesem Sauwetter. Eingepackt in Regenjacken starten wir um 7.30 Uhr am Haus der deutschen Weinstraße. Dann bei Grünstadt schließt der Himmel seine Schleusen, aber die inzwischen verschlammten, wenn auch betonierten Wege überzogen unsere MTBs mit einer schmutzig braunen Erdschicht. Vom Silberglanz unserer Rotwild Bikes war nicht mehr viel zu sehen.

Nach Obersülzen, kurz vor der Unterquerung der Autobahn A6, trete ich immer schwerer – schleichender Plattfuß vorne. Mit Flicken und Druckluftpatrone ist der Schaden schnell behoben. Wenig später verlangt die rasante Abfahrt hinunter nach Großkarlbach über holpriges und feuchtes Kopfsteinpflaster unsere volle Konzentration.
Krautkoepfe
Danach radeln wir entlang des Eckbaches nach Kirchheim an der Weinstrasse. Es folgen zwei Steigungen, die uns zum erstenmal so richtig ins Schwitzen bringen. Der anschließende Downhill mit 8 % Gefälle bringt uns nach Freinsheim. Als wir durch das verschlafene, mittelalterliche Dorf rollen sind nur wenige Menschen zu sehen. Vorbei an der historischen Stadtmauer geht es weiter in östlicher Richtung über Weisenheim nach Erpolzheim. Inzwischen hat die Sonne die Wege trocken gelegt und auch wir können jetzt in kurzen Radtrikots fahren.
Haus
Sarkophage
Eine kleine Pause in Gönnheim nutzen wir zur Besichtigung der Römersarkophage hinter der Martinskirche. Sie stammen aus einem spätantiken Gräberfeld östlich von Gönnheim und stammen aus der Zeit von ca. 360 n. Chr., obwohl man annahm, dass die Menschen damals aufgrund der Wirren durch die Völkerwanderung und des Niedergangs der römischen Kultur nicht mehr zu solchen Leistungen fähig gewesen wären. Die Steine, aus denen die Sarkophage gefertigt wurden, stammen aus Steinbrüchen am Haardtrand und wiegen rund 1500 kg pro Sarg, die Deckel darauf ungefähr 700 kg.
Sonnenblumenfeld
Hinter Meckenheim wechseln sich dann die Weinberge mit Getreide- und Gemüsefeldern als ständiger Begleiter ab. Bei Hassloch ist der Untergrund staubig als wir in den Wald rollen. Hier begegnen uns zum erstenmal größere Gruppen auf Rädern, vorher waren wir fast alleine unterwegs. Langsam macht sich Hunger bemerkbar. Kein Wunder nach über 50 Kilometern auf Mountainbikes und einem Schnitt von über 20 km/h. Nach Neustadt werden die Wolken wieder dunkler und es beginnt leicht zu tröpfeln. In einem Waldstück bei Schwegenheim entdecken wir auf der rechten Seite ein Steinkreuz. Als wir uns näher umsehen lesen wir recht makaberes über diesen Ort. Laut Inschriftentafel wurden hier die gefallenen Soldaten der Schlacht am Speyerbach vom 15. November 1703 von den Bauern der umliegenden Dörfer in mehreren Massengräbern bestattet.
Ruebenbagger
Hinter Schwegenheim dreht der Verlauf der Route um 180 Grad und wir haben entlang einer Draisinenstrecke mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Unsere Mittagspause verbringen wir im Gasthof Pflug in Zeiskam. Heißhungrig verschlingen wir ein Riesenschnitzel und ein Rumpsteak mit Pfeffersoße. Nach diesem üppigen Mahl lockt der malerische und gemütliche Innenhof des Gasthofes zu einem Nickerchen. Schweren Herzens widerstehen wir und schwingen uns wieder auf unsere Räder. Die letzte Etappe wartet auf uns.
Kuh
Kurz vor Bellheim schlagen wir uns in den Wald und radeln über Knittelsheim und Offenbach nach Herxheim in der Südpfalz. Hier fallen uns die riesigen Tabakfelder auf, die typisch für diese Gegend sind.
Tabak
Die letzte Richtungsänderung dann in Kandel. Wir fahren nun westwärts. Der Wind hat stark aufgefrischt und unsere letzten Kilometer im Sattel werden noch einmal richtig hart. Die Berge des Pfälzerwaldes kommen immer näher. Bei Steinfeld fallen uns große Betonklötze auf. Es sind die Reste des Westwalls. Auf einer Infotafel steht zu lesen, dass es sich um die Höckerlinie, einen Schutz vor den Panzern der Alliierten handelt. Sie wurde am 20. März 1945 von Einheiten der 14. US-Panzerdivision durchbrochen, jedoch nicht mit Panzern sondern von der Infanterie. Die sprengte Lücken in den Westwall, damit die Panzer vorrücken konnten.
Freundin
Wir müssen noch mal richtig "Gas" geben und treten kräftig in die Pedale. Wir müssen unseren Zug, den Elsass-Express, erreichen. Pünkltich 17.32 Uhr verlässt er den Bahnhof von Wissembourg und wir sind an Bord.
Durch fast unendliche Weinberge, die im Schein der untergehenden Sonne leuchtend grün erstrahlen, bahnt sich der Zug seinen Weg. Nach zwei Stunden sind wir in Grünstadt. Auf den letzten Metern, die wir im Sattel zurücklegen verschwindet die untergehende Sonne hinter den Hügeln der Pfalz. Ja, man kann auch inmitten der „Toskana Deutschlands“ sportliche Herausforderungen finden. Wer möchte, kann die knapp 150 Kilometer-Tour auch in mehreren Etappen zurücklegen. Auf Sehenswürdigkeiten und kulinarischen Genüssen muss niemand verzichten.
Rotwild
Text und Fotos: Timo Rokitta
 
Karte: Kraut und Rüben Radweg
Kraut und Ruebenweg Karte
Quelle: http://www.krautundruebenradweg.de/