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Helmut Dähne und die Nordschleife

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Die Geschichte der beliebten touristischen Motorradrallye - seit 1966
Dolomiten-Rallye

1966 organisierte ein Mann namens Klaus Becker für seine Freunde eine Ausfahrt von München nach Terlan im Etschtal. Er nannte sie DICO-Rallye. Das Kürzel stand für "Dillenberg & Co.", einem recht aktiven Motorrad-Zubehörgeschäft dessen Inhaber er war. Die Idee zu dieser Orientierungsausfahrt hatte ACM-Clubkamerad und BMW Werksfahrer Karl Ibscher.

Becker, ein echter Berliner, fuhr damals aktiv um die Deutsche Beiwagen-Geländemeisterschaft, musste sich aber meist seinem Münchner Freund und Fahrer des BMW-Werksgespannes, Karl Ibscher/Jupp Rettschlag, geschlagen geben. Karl Ibscher stiftete den einzigen Pokal den es damals zu gewinnen gab. Das Ziel nach Terlan zu legen war seine Idee. Der Ort war Karls zweite Heimat. Er starb im Frühjahr 2006.

Auf Umwegen führte die vorgeschriebene Strecke zum Ziel. Kontrollpunkte gab es auf der Strecke. Ob und wie ein Nachweis für die Anfahrt der Punkte erbracht werden musste weiß heute keiner mehr. Ich meine wir mussten einen Stempel von irgendwelchen Wirtschaften einholen. Jedenfalls fuhren fast alle zusammen und es gab nur die eine Route.

Eine Sonderprüfung, nach dem Muster des Geländesportes (heute Enduro), wurde ausgefahren. Wer am schnellsten durch den steilen Hohlweg von Terlan zum Bergbauern Lagar fuhr, sollte der Sieger werden.

Der Weg war damals so steil und schwierig, dass er gar nicht von allen Teilnehmern gemeistert wurde. Die Bedingungen waren auch dadurch erschwert, dass alle Fahrer auf Straßen-motorrädern mit Straßenreifen unterwegs waren. Enduros oder deren Reifen gab es noch nicht. Geländemaschinen schon, aber nicht zu kaufen.

ohne ihn geht nix

Früher war Lagar nur zu Fuß, mit dem Muli, per Materialseilbahn oder eben mit dem Motorrad erreichbar. Heute führt eine "Autobahn", vorbei an Lagar, nach Mölten. Nur die Gaststube ist geblieben - unverändert wie damals!

Der Veranstalter fuhr auch mit. Klaus Becker war nicht nur als Beiwagenfahrer schnell, er konnte auch Solo sehr gut fahren. Vom Ergebnis war aber bestimmt keiner mehr überrascht als ich selbst. Ich war schnellster und jüngster Teilnehmer (das passiert mir heute nicht mehr) und fuhr deutlich schneller als die alten Hasen. Ich gewann meinen ersten Pokal.

Ein Jahr später, wieder Anfang Oktober, veranstaltete Klaus Becker die zweite DICO-Rallye. Start war in Picolein im Val Badia, mitten in den Dolomiten, dort wo man noch ladinisch spricht - ein Überbleibsel aus der Römerzeit. Ziel war wieder Terlan, zwischen Bozen und Meran.

Diesmal gab es schon ein Reglement. Die Fahrzeit war limitiert auf 9 Stunden. Wer auch nur eine Minute überzog fiel aus der Wertung. Verschiedene Kontrollpunkte, kreuz und quer verteilt, konnten angefahren werden. Dafür gab es Punkte in unterschiedlicher Höhe. Ob man auch wirklich dort war, musste in der Kontrollkarte, die jeder mitführte, mit dem dort aushängenden Stempel bestätigt werden. Das war's dann auch schon mit den Regeln.

Die Strecke wurde erst am Abend vor der Veranstaltung bekannt gegeben und war schon so ausgewählt, dass man sich für eine Route entscheiden musste, von der man glaubte, sie in neun Stunden schaffen zu können. Alle zu erreichen schien fraglich.

Sieger war wieder ich. Mein Cousin Fritz Scherb wollte nicht mehr mit zum Penser Joch fahren. Die verbleibende Zeit schien ihm zu knapp. Es blieben nur noch 1 ½ Stunden. Ich schaffte es mit meiner R69S und hatte als einziger alle Kontrollpunkte geschafft.

Die dritte Dico-Rallye 1968 gewann ich nicht. Ich war punktgleich mit Rüdiger Gutsche, Konstruktionschef bei BMW. Per Trialprüfung wurde diesmal entschieden. Ich fädelte mit dem Lenker in einen Dornenstrauch ein und brauchte den Fuß. Rüdiger blieb fehlerfrei und gewann.

Klaus Becker verkündete er wollte sich die Arbeit nicht mehr aufhalsen und die Veranstaltung nicht mehr durchführen. Mir und den anderen 22 Leuten die dabei waren machte die Rallye so viel Spaß, dass ich beschloss sie nicht sterben zu lassen.

Ich übernahm fortan die Organisation. 1969 zum ersten Mal. Zunächst beließ ich es bei dem Namen DICO-Rallye, in der Hoffnung Becker würde die Rallye vielleicht doch wieder mal weiterführen. Es blieb bei der Hoffnung. Seit damals bin ich der Veranstalter.

Heute heißt die Veranstaltung „Metzeler Dolomiten-Rallye“ obwohl sie seit 1983 nicht mehr dort stattfindet – aus Tradition heraus. Die Sperrung aller Sandstraßen in den Dolomiten zwang zu neuen Gebieten.

Bereits 1987, nach der 21. Rallye (meiner 18.) wollte ich aufgeben und rief die letzte Rallye aus. Die Belastung war schon recht ordentlich: Beruf, Motorsport und auch noch eine Großveranstaltung. Ich meinte es könnte auch etwas weniger sein. 1988 gab es dann auch keine.

Die Freunde des gesellschaftlichen Teiles drängten. Dann treffen wir uns doch ganz locker, ohne Veranstaltungsdruck! 1989 und 1990 lud ich dann zu Treffen nach St. Kassian. In die Region, wo bereits neun Rallyes abliefen.

Schließlich fehlte mir was. Ich kam nicht mehr zum Enduro fahren. Die Aufgabe fehlte. Ohne Ziel einfach irgendwo umher zu fahren das war nicht mein Ding. Also machte ich auf Sparflamme im Zwei-Jahres-Turnus weiter. Stationen der Rallye waren nach St. Kassian, St. Jakob im Defereggental, der Gardasee, Bormio, Bled in Slowenien, Boario Terme in den Bergamasker Alpen, und dann die Toskana.

Das Kürzel “ACM“ (Automobil Club München) ist inzwischen aus dem Titel verschwunden. Der Club hat sich zurückgezogen. Es gab Befürchtungen man könnte in die Verantwortung gezogen werden, wenn mal was schief geht.

Es geht bei der Rallye darum, in einem großen Gebiet in zwei Tagen möglichst viele Punkte zu erzielen. Die gibt es für das Finden und Anfahren von Kontrollpunkten. Eine Fahrerbesprechung mit Diashow, Kartenmaterial und ein Roadbook helfen dabei.

Die Route stellt sich der Teilnehmer nach eigenem Ermessen selbst zusammen. Abhängig von den Schwierigkeitsgraden die er sich zutraut und der Strecke die er zu schaffen glaubt.

Täglich stehen 30 Ziele zur Verfügung. Gerade mal die Hälfte schaffen die Besten. Zeitüberschreitung wird mit Punkteabzug belegt. Vorzeitige Zielankunft bringt innerhalb einer Stunde vor der Soll-Zielzeit Pluspunkte. Teilnehmer über 50 Lebensjahre erhalten auch Pluspunkte.

In 2008 fand die 33. Rallye statt. Nicht regelmäßig wird sie durchgeführt. Ca. 100 – 130 Teilnehmer gehen an den Start. Mehr sollen es auch nicht werden. Es soll noch etwas Persönliches erhalten bleiben.

Wohl durch meine 15-jährige Tätigkeit bei BMW ist die Veranstaltung vom Ursprung her für den Teilnehmerkreis von Arbeitskollegen und durch die Clubzugehörigkeit zum ACM, den Clubkameraden bestimmt gewesen. Wohl deshalb ist die Rallye noch heute sehr BMW-lastig. Rund 60% war der Marktanteil bei der Dolomiten Rallye 2006.

Längst kommen die Teilnehmer aus ganz Deutschland und Nachbarländern zusammen. Die Rallye ist nicht nur eine Sportveranstaltung. Sie entwickelte sich auch zu einer Motorradgesellschaftlichen Veranstaltung, einem Ereignis, um den neudeutschen Begriff Event zu vermeiden.

Man sagt, ohne die Dolomiten-Rallye gäbe es die BMW GS Modelle nicht. Ich denke das ist so! Sie waren ja alle dabei, die Lenker und Denker von BMW. Die Mechaniker, der Konstruktionschef, der Versuchsleiter, der Entwicklungschef, der Geschäftsführer und sogar Vorstand Bob Lutz (1972 - 74 Verkaufsvorstand bei BMW in München). Und jeder hatte sich für den Zweck schon einen Eigenbau zu Recht gemacht. Schwer war das für die BMW-Leute ja nicht. Es gab ja schon eine Menge Versuchsteile von den Werksmaschinen. BMW war damals ja sehr aktiv im Geländesport. Da war der Weg zur Enduro nicht so sehr weit, wenn auch H.G. von der Marwitz nach seiner Teilnahme an der Dolomiten-Rallye ein Verbot für Versuchsmaschinen aussprach. “Weil da so viel kaputt geht“!

Autor: Helmut Dähne