Dolomiten Rallye 2009
Grob geschottert
Helmut Dähne, TT Sieger auf BMW und Nürburgring Spezialist veranstaltete zum 34. Mal die Dolomiten-Rallye in Italien.
Es ist früh morgens mitten in den italienischen Appenninen. Die Sonne lugt schon hinter den Bergen hervor und vertreibt langsam den Nebel der im Tal liegt. Dieses Jahr hat sich die Wetterregel von Helmut Dähne bewahrheitet. Sie besagt, dass bei der Rallye Anfang Oktober das gleiche Wetter herrscht, wie beim Aussuchen der Strecken im Mai. Also wird es nach der verregneten 2008er Rallye dieses Jahr wohl sehr staubig werden, weil Helmut im Mai 2009 keinen einzigen Tropfen Regen abbekam.
Weit über einhundert Enduros warten auf dem abgesperrten Sportgelände des Hotels „Il Ciocco“ auf ihren Einsatz. Den ersten Fahrern, die um Punkt 7:30 Uhr persönlich von Helmut Dähne auf die Strecke geschickt werden ist die Anspannung anzusehen. Nachdem die Kontrollkarten abgestempelt sind, geht es mit Roadbooks und ausführlichem Kartenmaterial bewaffnet, auf die Reise. Da die meisten in Teams fahren, wird die Gefahr, sich in der Gegend hoffnungslos zu verfahren, drastisch gemildert.
Vor dem Start gibt es jedoch gewisse Teilnahmekriterien. Nur Damen und Männer über 40 Jahre dürfen auf einem Einzylinder starten – was die meisten Herren über 40 jedoch nicht daran hindert, mit ihren bewährten alten Zweiventil-Boxerenduros anzutretent. Teilnehmer über 50 Jahre erhalten zusätzlich noch einen sogenannten Altersbonus von 3 Punkten pro Jahr. Dazu gibt es drei verschiedene Wertungsklassen: Männer, Frauen und Sozia. Wobei die Fahrer mit Sozia schon eine gehörige Portion Mut besitzen müssen, um die teilweise doch recht anspruchsvollen Pisten zu bewältigen.
Wir befinden uns inmitten der 34. Ausgabe der Dolomiten-Rallye, die um Probleme mit den italienischen Behörden zu vermeiden hier auch Mototour Appennino Tosco-Emiliano genannt wird.
1966 fand die erste Veranstaltung wie der Name schon sagt, in den Dolomiten statt. Da es jedoch im Laufe der Zeit immer mehr zu Streckensperrungen kam, musste die Rallye umziehen. Seit 6 Jahren ist das Domizil der Rallye deshalb das Gebiet der Tosco-Emiliano. Da es in den ersten Jahren der Rallye noch keine Geländemotorräder gab stellten die Geländepassagen für die damaligen Straßenmotorräder eine echte Herausforderung dar. Das inspirierte natürlich viele BMW Fahrer, ihre Motorräder geländetauglicher zu machen. Insider behaupten heute noch, dass es ohne die Dolomiten-Rallye nie eine G/S von BMW gegeben hätte. Als dann 1980 die R80G/S erschien, verschwanden darauf schlagartig alle Straßenmotorräder von der Bildfläche der Rallye. Mehr über die Geschichte der Dolomiten Rallye erfahren Sie hier!
So waren auch in diesem Jahr viele Protagonisten aus der Boxer- beziehungsweise GS-Entwicklung am Start. Rüdiger Gutsche und Richard Heydenreich, Anfang der achtziger Jahre mitverantwortlich für die Einführung des revolutionären GS Konzeptes, ließen es sich nicht nehmen an den Start zu gehen. Doch auch aktuelle Entwickler aus München wie Dr. Markus Braunsberger fahren regelmäßig bei der Dolomiten-Rallye mit. Hier haben sie das Ohr direkt an der Meinung der Kundschaft und können so direkt deren Bedürfnisse erfahren.
Dieses Jahr war die Zahl der Teilnehmer trotz Wirtschaftskrise überdurchschnittlich hoch. Begeisterte Teilnehmer der letzten Jahre hatten massiv Werbung für die Veranstaltung im Internet gemacht.
Vor der Veranstaltung weiß jedoch niemand, wo es genau hingeht. Erst zwei Wochen vor dem Start kommt die Teilnahmebestätigung per Post nach Hause. Bekannt gegeben werden dabei lediglich die Adresse des Hotels und der Zeitpunkt für die Ausgabe der Unterlagen. Am Vorabend des jeweiligen Fahrtages werden dann die Kontrollkarten, die Roadbooks sowie eine genauere Landkarte mit den eingezeichneten Kontrollpunkten verteilt. Das Austüfteln der bestmöglichen Route ist das A und O der Rallye.
Das Roadbook unterscheidet zwischen sechs Schwierigkeits-Kategorien von 1 bis 6. Das fängt mit einer Teerstrasse an und endet irgendwo in steilen Maultierpfaden an abgelegenen Berghängen. Es ist aber nicht so, dass die schwierigsten Punkte auch automatisch die höchste Bewertungen erhalten. Auch die Entfernung zu Start und Ziel und die Anbindung an die nächsten Kontrollpunkte sind Faktoren bei der Punktevergabe.
Jeder Kontrollpunkt ist wiederum mit einem Hinweisschild markiert, dem ein jeweils andersfarbiger Filzstift anhängt. Mit der Unterschrift auf der eigenen Kontrollkarte dokumentiert der Teilnehmer, den Punkt auch wirklich angefahren zu haben.
Damit man die Schwierigkeit bei der Navigation versteht, muss man beispielsweise den Hinweis zum Kontrollpunkt Nr. 48, der Schwierigkeitsgrad 5-6 hat und 41,01 Punkte bringt, einmal selbst gelesen haben:
„Von Moutainbike-Trail zurück, vorbei an gesperrter Brücke und Umleitung. Breite Sandstr. hoch. Auf schmaler Teerstr. links taleinwärts. Ende Teer vor Schranke re. weiter. In der Ebene (gegenüber Schotterhalde) noch nicht Schild Tambura folgen. Weiter oben in Li-Kehre (LKW Wendeplatz) rechts halten. Dann Schild 35 Tambura folgen. Am stillgelegten Steinbruch mit gelb-rostigem Strommast neben Steinhaus vorbei und Wegweisern folgen. Nach schwierigstem Teil, auf geradem Stück 2 große flache Steine auf dem Weg. 10m weiter, rechts neben Fahrspur, einige Felsen. Pf an Baum hinter weißem Felsquader mit r/w Markierung. Wendemöglichkeit 10 m weiter“!
Wer sich jetzt vorstellt, beim Balancieren über dem Abgrund auf einer ca. 35 % steilen, mit losen Steinen gespickten Schotterpiste dies zu lesen und gleichzeitig zu fahren, kann den wirklichen Anspruch der Veranstaltung erkennen.
Nach zwei anstrengenden Fahrtagen waren dann auch alle wieder froh, einigermaßen heil ins Ziel gekommen zu sein. Kleinere Defekt wie durchgebrannte Kupplungen und Abrisse diverser Bremsenteile mitgerechnet.
Die Sieger der Soloklasse hatten 2009 mit 33 von 60 angefahrenen Punkten deutlich die Nase vorn. Held der Rallye war jedoch Klaus Handt, der mit 83 Jahren auf seiner R100GS auf eigener Achse anreiste und die Rallye erfolgreich absolvierte.
Man trifft sich wieder zur 35. Dolomiten-Rallye im Oktober 2011.
Text: Timo Rokitta
Fotos: Timo Rokitta, Herbert Worm
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